Zweifelsohne lebt ein enorm großer Wirtschaftssektor ausgezeichnet vom Jugendwahn. Viele Branchen wie Medizin, Pharmazie, Fitness- und Sportindustrie, Psychologie, Kosmetikindustrie und Modewelt tummeln sich hier und befeuern die Sehnsucht nach ewiger Jugend, um ihre Kassen klingeln zu lassen. In Zeiten, in denen die Menschen statistisch betrachtet immer älter werden, herrscht das Credo, man und frau müsse bis ins hohe Alter jung und fit bleiben, koste es was es wolle. Viele beugen sich diesen Vorgaben und geben alles, andere widersetzen sich ganz bewusst, und die meisten von uns orientieren sich mehr oder weniger an diesen uns medial „verordneten“ Maximen.
So weit so gut – oder so schlecht? Aber sitzen wir tatsächlich einzig und allein einem kommerzialisierten Jugendwahn auf? Es lohnt sich, die Vorstellung von der „ewigen Jugend“ ein wenig genauer zu betrachten. Sie ist nämlich keineswegs einzig und allein eine Erfindung der Moderne. Schon in der der Antike, bei den Griechen und bei den Römern, kursierten zahllose Tipps, um die jugendliche Frische zu erhalten. Überhaupt ist die Literatur über die Jahrhunderte hinweg voll von der Thematik „verlorene Jugend“ – und eindeutig nicht im positiven Sinne. Besonders schonungslos geht Simone de Beauvoir in ihrem in den Siebzigern des 20. Jahrhunderts erschienenen Buch „La Vieilleisse“ mit dem Alter ins Gericht und versucht irgendwie damit umzugehen. Sie selbst wurde 78 Jahre alt.
Genau das scheint mir ein sinnvoller Ansatz zu sein. Denn alt zu werden, daran gibt es nichts zu deuteln, ist eine der vielen Herausforderungen der menschlichen Existenz. Und wer bitteschön findet mögliche physische oder mentale Beeinträchtigungen prickelnd? Jede und jeder würde, könnte sie oder er es sich aussuchen, bis zum Lebensende körperlich fit, ästhetisch ansprechend und geistig rege bleiben wollen. Und wenn wir ganz ehrlich sind, eigentlich ist es eine Zumutung, unser Älterwerden bewusst erleben zu müssen.
Doch genau das uns eigene menschliche Bewusstsein birgt Chancen. Wir können Herausforderungen erkennen, analysieren, entsprechende Strategien zur Veränderung, ja Verbesserung entwickeln. Diese Instrumentarien wurden mit den Jahren immer zahlreicher und vielfältiger.
Das Älterwerden stellt uns quasi automatisch die Mittel bereit, die wir zu dessen Bewältigung brauchen.
Ein wertvoller Fundus, setzen wir ihn ein.
Ewige Jugend bleibt Traum, Älterwerden ist trotz Medizin, Pharmazie, Kosmetik und und und … unausweichlich, der Kampf dagegen sinnlos. ABER: Maßvolles Abfedern des Alterungsprozesses durch dem jeweiligen Körper angepasste Bewegung und Ernährung, durch bewusstes Aufrechterhalten unserer Neugierde, durch liebevollen und humorvollen Umgang mit uns selbst und den anderen – das ist die richtige Strategie. Aus Zumutung wird bejahende Haltung: Ja, ich werde immer älter – und nein, ich lasse das nicht passiv über mich ergehen. Ich bleibe aktiv, so wie es mir entspricht – und gehe damit dem kommerzialisierten Jugendwahn garantiert nicht auf den Leim.